003 – Odyssee durch Asien

Ansichtskarte vom Bord des Postdampfers "Hamburg"
Ansichtskarte vom Bord des Postdampfers „Hamburg“

Die Rückseite der hier gezeigten Ansichtskarte vom Bord des Reichspostdampfers „Hamburg“ trägt nicht nur eine Vielzahl verschiedenster Stempel, sondern auch eine mit „China“ überdruckte Briefmarke der Deutschen Reichspost.

Rückseite der Ansichtskarte (1901)
Rückseite der Ansichtskarte (1901)

Diese Marke stammt aus einer Zeit, als es noch deutsche Postämter in China gab. Sammler sprechen oftmals von sog. „Deutschen Auslandspostämtern“ oder von der „Deutschen Post in China“. Postämter der Deutschen Reichspost gab es in diversen Städten Chinas zwischen 1886 und 1917. Um die Briefmarken besser von den Marken des deutschen Inlands abgrenzen zu können, versah man sie ab 1898 mit einem Überdruck. Anfangs waren diese „China“-Aufdrucke diagonal (45°) bzw. steil (56°), später jedoch waagerecht.

Deutsche Marken mit diagonalem und steilem Überdruck "China"
Deutsche Marken mit diagonalem und steilem Überdruck „China“
Waagerechter "China"-Aufdruck
Waagerechter „China“-Aufdruck

Die Ansichtskarte wurde vermutlich von einem Niederländer an Bord des Reichspostdampfers „Hamburg“ am 1. Juli 1901 verfaßt und am darauffolgenden Tag in von der Deutschen Seepost an Bord des Dampfers abgestempelt. Über den Kennbuchstaben „e“ im Stempel „Deutsche Seepost Ost-Asiatische-Hauptlinie, e“ läßt sich der Reichspostdampfer „Hamburg“ identifizieren. Dieser Dampfer gehörte zur Hamburg-Amerika-Linie (Hapag). Es war der erste Postdampfer der Hapag, der auf der Linie nach Ostasien zum Einsatz kam.

Reichspostdampfer "Hamburg", später USS "Powhatan"
Reichspostdampfer „Hamburg“, später USS „Powhatan“

Auch Reisende konnten auf Dampfern dieser Linie mitfahren. Anlaufstationen waren: Hamburg, Suez, Aden, Colombo, Penang, Singapur, Manila, Hongkong, Schanghai, Tsingtau, Tongku (Tientsin) und Yokohama.

Werbeplakat der Dampferlinie (1898)
Werbeplakat der Dampferlinie (1898)
Route der Postdampfer
Route der Postdampfer

Zwischenstopps wurden eingelegt, um Personen oder Fracht aufzunehmen und waren für den Reisenden eine willkommene Gelegenheit, Land und Leute zu erkunden:

„Die bevorzugte Lage Colombos an einem der wichtigsten Punkte der maritimen Etappenstraße von Europa nach Ostasien hat es mit sich gebracht, dass die Hauptstadt Ceylons vom Fremdenstrom viel stärker berührt wurde, als die großen Hafenstädte des indischen Festlandes: Bombay, Calkutta, Madras. Denn alle Dampfer der großen Überseelinien nach Süd- und Ostasien und Australien, die deutschen Reichspostdampfer, die englischen, die holländischen, französischen Postdampfer, liefen aus der Aus- und Heimreise Colombo an und machten hier zum Zweck der Kohlenübernahme Station. Die Passagiere fanden dabei Zeit genug, sich wenigstens einen kurzen Einblick in die Stadt zu verschaffen; viele aber, besonders die Fahrgäste unserer Reichspostdampfer, benutzten auch die Gelegenheit, um Ceylon gleich gründlicher kennenzulernen, sie überschlugen deshalb hier einen Dampfer und setzten die Seereise erst in acht oder vierzehn Tagen fort. So kommt es, dass Colombo, wenigstens bei den Deutschen, die bekannteste und populärste indische Stadt ist, die jeder Ostasienfahrer oder Weltumsegler aus eigener Anschauung kennt.“
(Aus: „Mein Leben im Tropenparadies“ von John Hagenbeck)

Auch unser Niederländer auf dem Reichspostdampfer „Hamburg“ wird Colombo gesehen haben. Kurz vor Aden verfaßte er ein paar Grußzeilen, ohne zu ahnen, welchen Odyssee seiner Karte bevorstand.

Am 2. Juli 1901 stoppte die „Hamburg“ in Aden, die Post von Bord gebracht und dem Postamt vor Ort übergeben.

Aden, 2. Juli 1901
Aden, 2. Juli 1901

In Aden wurde die Karte am 8. Juli an das Britische Seepostamt (Seapost Office) weitergeleitet.

Sea Post Office, 8. Juli 1901
Sea Post Office, 8. Juli 1901

Jenes Seepostamt war 1868 von den Engländern eingerichtet worden, um den Posttransport nach und von Indien zu beschleunigen. Postdampfer der Peninsular & Oriental Steam Navigation Company fuhren von Suez über Aden nach Bombay und zurück. Für das Sortieren der Post waren bis zu sechs Teams nötig, welche unter Kontrolle der Indischen Post standen. Den Stopp in Aden nutzten die Postdampfer für den Austausch der Post nach und von Ostafrika sowie der Arabischen Küste und zum Auffüllen ihrer Kohlebestände.

Adressiert ist die Karte nach Padang, Niederländisch Ostindien. Die indischen Postbeamten lasen aber wahrscheinlich „Padong“ statt „Padang“ und so begann die Irrfahrt:

Nach über einer Woche, am 16. Juli, fand sich die Karte plötzlich in Ghum (Ghoom) und Kalinpon (Kalimpong) in Westbengalen auf dem Weg nach Padong (Pedong) wieder!

Am 17. Juli erreichte die Karte ihr „Ziel“: Pedong.

Als der Empfänger dort nicht aufzufinden war, sucht man den Empfänger andernorts.

18. Juli: Ghum (Ghoom) und Darjeeling: hier irrt die Karte durch die Hände der Postbeamten.

Fast vier Wochen blieb die Suche nach dem Empfänger erfolglos . Am 15. August erhielt sie zwei „Unbekannt“-Stempel „D.L.O. Bengal“ (Dead Letter Office). Die Suche nach dem Empfänger wurde eingestellt und die Karte nach Kalkutta weitergeleitet.

Hier bemerkte endlich ein Beamter den Fehler. Mit roter Tinte vermerkte er die richtige Destination „Netherland India“. Die Odyssee hatte ihr Ende gefunden und die Ansichtskarte unseres Niederländers trat nach langer Irrfahrt endlich ihre Reise zu ihrem wahren Bestimmungsort an: Padang in Niederländisch Ostindien!

Über sechs Wochen war die Karte unterwegs gewesen, fünfzehn (!) Stempel und handschriftliche Vermerke bekommen, die die Empfängeradresse fast unlesbar machten. Alles nur wegen eines Lesefehlers!

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Quellen:

[1] Markus Jaklitsch, Jubiläum 125 Ostasien-Fahrt bei Hapag-Lloyd, Logistik-Express, 2011, https://www.logistik-express.com/jubilaeum-125-jahre-ostasien-fahrt-bei-hapag-lloyd/

[2] Bildmaterial, Das Hospittalschiff RED CROSS 1914, die ehemalige HAMBURG der Hapag, www.ibiblio.org,http://www.ibiblio.org/hyperwar/OnlineLibrary/photos/images/h74000/h74740.jpg,Wikipediahttps://de.wikipedia.org/wiki/Hamburg_(Schiff,_1900)

[3] Meyers Reisebücher, Weltreise – Erster Teil: Indien, China und Japan (1912), Dogma, Reprint 2013, S.10, https://www.amazon.de/gp/offer-listing/3955807258/ref=as_li_tl?ie=UTF8&camp=1638&creative=6742&creativeASIN=3955807258&linkCode=am2&tag=hermesphilade-21&linkId=929f8d358300f92abc140c24c440bfd9

[4] Bildmaterial: Wikipedia, Werbeplakat des NDL aus Bremen, Unbekannter Künstler, 1898, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/Reichspostdampferlinie_-_1898.jpg

[5] John Hagenbeck, Mein Leben im Tropenparadies, Books on Demand, 2018, S.33,https://www.amazon.de/gp/offer-listing/B07FM9LZ4K/ref=as_li_tl?ie=UTF8&camp=1638&creative=6742&creativeASIN=B07FM9LZ4K&linkCode=am2&tag=hermesphilade-21&linkId=2856039ba68d10e7c5164c0ae732d9ab

[6] M. Dovey and P. Bottrill, The Bombay – Aden Sea Post Office Service, TPO & Seapost Society, http://www.tpo-seapost.org.uk/tpo2/spadenbombay.htmlSCHLAGWÖRTER: CHINADEUTSCHE AUSLANDSPOSTÄMTERDEUTSCHE KOLONIENDEUTSCHE POST IN CHINAGROSSBRITANNIEHAPAGINDIENLLOYDNIEDERLÄNDISCH OSTINDIENREICHSPOSTDAMPFERSEEPOSTSUEZKANAL


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