1945, Lokalbrief aus Chengdu mit Sondermarken „Kriegsflüchtlingshilfe“ und „Neue Gleichstellungsverträge“

1945, Lokalbrief vom 5.8.1945 aus Chengdu 成都 mit Sondermarken „Kriegsflüchtlingshilfe“ und „Neue Gleichstellungsverträge“.

Durch die verlorenen Opium-Kriege und den von den Alliierten niedergeschlagenen Boxeraufstand hatte bei den Friedensverhandlungen das Kaiserreich China den ausländischen Mächten immer mehr Sonderrechte einräumen müssen. Diese Sonderrechte zwangen das grosse Reich dazu, sich dem Westen wirtschaftlich zu öffnen. So entstanden westliche Siedlungen mit eigener Verwaltung (American, British and French Concessions, Deutsches Pachtgebiet Kiautschou) und die chinesischen Vertragshäfen.

Die Alliierten in der Verbotenen Stadt mit einer Siegesparade nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags (Boxer-Protokoll), 1901, Quelle: Wikipedia)

 

Faktisch gaben die Chinesen damit ihre Hoheitsrechte für diese Gebiete ab. Somit verfügten nun die Alliierten über exterritoriale Niederlassungen mit eigener Verwaltung, eigener Gerichtsbarkeit, eigener Polizeigewalt und eigener Zollhoheit. Durch diese Sonderrechte war es den ausländischen Mächten jetzt möglich China politisch einzuschränken und wirtschaftlich auszubeuten.

 

Französische politische Karikatur aus den späten 1890er Jahren. Ein Kuchen steht für „Chine“ (französisch für China) und wird zwischen Karikaturen von Königin Viktoria (Grossbritannien), Kaiser Wilhelm II. (Deutschland), Zar Nikolaus II. (Russland), Marianne (Frankreich) und dem Kaiser Meiji (Japan) aufgeteilt. Ein chinesischer Beamter versucht sie aufzuhalten, ist aber machtlos. Die Karikatur soll die imperialistischen Bestrebungen dieser Nationen gegenüber China zu dieser Zeit darstellen. (Quelle: Wikipedia)

 

Zu den sog. „Ungleichen Verträgen zählen:

Nach der Chinesischen Revolution und dem damit verbundenen Zusammenbruch des Kaiserreichs 1911 strebte China politisch um Gleichstellung gegenüber den westlichen Mächten und versuchte die „Ungleichen Verträge“ wieder aufzulösen. Deutschland und Russland zogen sich noch während des Ersten Weltkriegs aus China zurück.

Mit dem Überfall Japans auf China 1937, dem Beginn des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges, und der wachsenden Angst im Westen vor einem erstarkenden Japan, stieg China zu einem wichtigen Bündnispartner im Kampf gegen Japan auf.

Am 18. Juli 1940 erklärte der britische Premierminister Winston Churchill im Parlament die Absicht seiner Regierung, die extraterritorialen Rechte in China aufzugeben. Um die britischen und amerikanischen Beziehungen mit China nach Ausbruch des Pazifikkrieges im Dezember 1941 zu verbessern, griff man dieses Thema wieder auf. Bereits im März 1942 wurde unter den Beamten des Außenministeriums Einigkeit darüber erzielt, dass bestehende Vereinbarungen mit der chinesischen Regierung zugunsten Chinas geändert werden müssen. Hierzu schlug der US-Aussenminister Cordell Hull der bitischen Regierung Folgendes vor:

  • Aufhebung des Boxer-Protokolls von 1901 und der internationalen Regelung in Shanghai
  • Klärung rechtlicher Fragen infolge der Beendigung des Diplomatenviertels (Concessions) in Peking
  • Es müssen neue gesetzliche Regelungen getroffen werden, um die Beibehaltung von ausländischem Grundbesitz in China im Rahmen der neuen Richtlinie zu ermöglichen
  • Gewährung ähnlicher Rechte für chinesische Staatsangehörige in den USA wie für US-Staatsangehörige in China (bis dato war es Chinesen nicht erlaubt, die US-Staatsangehörigkeit zu erlangen)
  • Gegenseitigkeit bei der konsularischen Vertretung für die USA und China
  • Beilegung aller Streitigkeiten über die Rechte von Amerikanern in China nach internationalem Recht
  • Verhandlungen über umfassende neue Handelsabkommen beginnen 6 Monate nach Kriegsende
Cordell Hull, amerikanischer Aussenminister (Quelle: Wikipedia)

 

Auf Druck der USA einigte sich die britische Regierung Anfang Oktober 1942 darauf, mit der chinesischen Regierung Verhandlungen über die Aufhebung der Exterritorialität aufzunehmen. Die Verhandlungen führten schließlich im Januar 1943 zur Aufhebung der extraterritorialen Rechte in China. Am 11. Januar 1943 unterzeichnete die chinesische Regierung mit den USA und Grossbritannien in Washington und Chungking die „Neuen Gleichstellungsverträge“. Neun Länder – Belgien, Norwegen, Kanada, Schweden, die Niederlande, Frankreich, die Schweiz, Dänemark und Portugal – folgten bald.

 

Die Abgeordneten, die den Vertrag unterzeichneten. Erste Reihe von links nach rechts: Wellington Koo, Horace James Seymour, T. V. Soong, Hugh Edward Richardson und Wu Guozhen. (Quelle: Wikipedia)

 

Um die Unterzeichnung der neuen Gleichstellungsverträge mit den USA und Grossbritannien zu feiern, erklärte die chinesische Regierung den 11. Januar zum „Gerechtigkeitstag“. Überall im Land war zu hören, wie Menschen das „Lied zur Feier der neuen Gleichstellungsverträge“ sangen. Die Regierung der Republik China gab zum Gedenken an die neuen Gleichstellungsverträge am 7. Juli 1945 ebenfalls sechs Briefmarken mit einer Auflage von 350.000 Sätzen heraus.

Sondermarken „Neue Gleichstellungsverträge“ von 1945

 

Diese Sondermarken sind auf Brief nicht häufig zu finden.